Familienmitglieder haben sich viel zu erzählen und zu organisieren. Die Klassenfahrt der Ältesten, der Sportunterricht des Jüngsten, die beruflichen Ärgernisse oder der neuste Tratsch unter Freunden und Bekannten. Innerhalb der Familie gibt es viel Kommunikationsbedarf. Der Austausch ist eine Grundlage für die Gemeinschaft und den Zusammenhalt.
Nicht immer kann man gemütlich zusammensitzen um über den Alltag zu sprechen. Kommunikationstechnologien wie beispielsweise Instant Messenger, Mobiltelefone, E-Mail, Kurznachrichten oder soziale Netzwerke wie Facebook bieten hier neue Möglichkeiten und erhöhen die potentiellen „Kommunikationskanäle“. An einem anderen Ort zu sein, ist heute keine Entschuldigung mehr, nicht miteinander zu sprechen. Jeder ist potentiell immer erreichbar. Jedoch verlangen auch andere Dinge Aufmerksamkeit. Man muss sich beispielsweise auf der Arbeit, anderen Dingen zuwenden: Berichte erstellen und auch einfach mal nachdenken. Es bedarf also der Fertigkeit das Maß an Kommunikation zu steuern. Dabei spielt nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Inhalt eine wichtige Rolle. Kommunikation kann sehr verbindend sein. Ein „Ich vermisse Dich“ oder „Hab‘ Dich lieb“ tut im Alltag immer gut. Kommunikation kann aber auch schwierig werden. Zu lange Geschichten passen nicht in den Arbeitsalltag, Probleme kann man schlecht auf die Ferne lösen und es streitet sich auch besser von Angesicht zu Angesicht.
Wir haben uns die Kommunikation zwischen jüngeren Kinder und einem arbeitenden Elternteil näher angeschaut. Jüngere Kinder vermissen ihre Mama oder ihren Papa sicher dann und wann und möchten vielleicht in Kontakt treten. Auch das arbeitende Elternteil möchte sich seinen Kindern trotz Arbeitsalltags nahe fühlen. Dabei geht es nicht um das Übermitteln von Informationen, sondern um Gefühle. Ein Großteil der vorhandenen Kommunikationstechnologien legt aber nahe, einen Dialog zu führen, sich etwas zu erzählen oder etwas zu besprechen. Aber gerade dies passt nicht immer in den Arbeitsalltag. Telefonate ufern aus, und man müsste doch noch das nächste Meeting vorbereiten. Es geht um ein kurzes „Hallo!“, nicht um ein tiefes Gespräch. Ein Telefongespräch ist also unpassend. Eine SMS muss formuliert werden und kleine Kinder können ggf. nicht schreiben oder besitzen gar kein Mobiltelefon. Sie wären also nur mit Hilfe des anderen Elternteils in der Lage Kontakt aufzunehmen, was auch meist so passiert (oder eben dann nicht).
Bestehende Technologien berücksichtigen diese manchmal komplizierten Beziehungen, den Kontext und die Fertigkeiten ihrer Nutzer nicht immer ausreichend. Wir wollen die Möglichkeit bereitstellen, ein Gefühl von Verbundenheit zwischen dem arbeitenden Elternteil und kleineren Kinder im Arbeitsalltag zu haben, dabei aber aufmerksamkeitsbedürftige Kommunikation vermeiden. Dafür haben wir das Konzept der Bilderbox entwickelt.
Herzstück des Konzepts Bilderbox ist eine Geheimsprache aus neun Symbolen. Diese Sprache ist aber nicht vorbreitet, sondern muss von Eltern und Kindern „ausgehandelt“ werden: Welche Symbole brauchen wir? Was sind Themen während wir getrennt sind? Was bedeuten die Symbole für uns? Die Symbole werden auf die Frontscheibe der eigentlichen Box gemalt. Diese „Kiste“, die neben der beleuchteten Abdeckung mit einem großen Taster ausgestattet ist, bleibt bei den Kindern und wird an einem zentralen Ort (z.B. Küche, Flur, Kinderzimmer) aufgestellt. Das Elternteil außer Haus wird mit einem Smartphone ausgestattet, auf dem die Bilderbox-App installiert ist. Mit ihr wird die fertig bemalte Frontscheibe zunächst abfotografiert.
Betätigen die Kinder den Taster an der Bilderbox, schicken sie einen Stupser, ein „Was-machst-du-gerade?“ auf das elterliche Handy. Das Elternteil antwortet – wann immer gerade möglich – mit einem oder mehreren Zeichen in der gemeinsamen Zeichensprache. Damit lassen sie ihre Kinder wissen, wie es ihnen geht, was sie gerade tun oder einfach nur, dass sie sie lieb haben. Die Antwort wird durch Beleuchtung der entsprechenden Felder auf der Bilderbox angezeigt.
Eine unserer Teilnehmerfamilien hat die Bilderbox über mehrere Monate genutzt und diesen direkten Kommunikationskanal zwischen Kindern zuhause und Elternteil unterwegs sehr geschätzt. Das Konzept der Bilderbox hat die Kinder dazu befähigt, selbstständig Kontakt zu ihren Eltern aufzunehmen. Wir haben aber noch einen Trick eingebaut. Eist steuern die Eltern die Kommunikation mit ihren Kindern im Alltag. Sie melden sich meist nur dann, wenn sie der Meinung sind, auch genug Zeit zu haben. Die Bilderbox dreht dies um. Nur die Kinder können den Austausch beginnen. Sie bekommen ein „Werkzeug“, das es ihnen möglich macht, ihre Eltern auf der Arbeit zu erreichen, wann immer sie es wollen und nicht wann es den Eltern passt. Das dreht die sonst üblichen „Machtverhältnisse“ um. Die Alltagstauglichkeit entsteht dann aber durch die reduzierte, schnelle Art der Kommunikation. Auch haben wir die Zahl der Anfrage in einem Zeitraum begrenzt. Denn die Bilderbox soll keine Möglichkeit sein, Eltern zu ärgern.
Dadurch dass die Geheimsprache im Vorfeld in einem gemeinsamen Gespräch diskutiert wurde, fand ein intensiver Austausch über die Aktivitäten in der Zeit der räumlichen Trennung statt. Die gesendete Symbolantwort ist dadurch mehr eine Erinnerung an ein vorangegangenes Gespräch als eine neue Aussage. Die Eingeschränktheit der Anfrage durch die Kinder als auch durch die Limitierung der Zeichensprache birgt den Vorteil, dass keine konkreten Probleme thematisiert werden können (die in der Regel am Telefon sowieso nicht zu lösen sind). Die selbstgemalten Symbole werden als wesentlich emotionaler und vager wahrgenommen als gesprochene oder geschrieben Worte.
Man kann sich als Elternteil selbst von einer so reduzierten Anfrage stressen lassen. Immerhin warten die Kinder auf eine Antwort, oder? In unserer Familie war das Warten kein so großes Problem für die Kinder, da es bei diesen Anfragen nie um etwas wirklich Dringendes oder Wichtiges ging. Solange das Elternteil nicht antwortet, blink die Bilderbox lustig vor sich hin. Die Freude ist umso größer, wenn die Antwort dann da ist. Um die Eltern nicht zu stressen, haben wir versucht. jede Art von Zeitreferenz aus der App herauszunehmen. Man weiß nun einfach nicht, wann die Anfrage genau gekommen ist, außer man hat es direkt mitbekommen.
Aber wer könnte einen besseren Einblick in die Nutzung des Konzepts geben als unsere Teilnehmerfamilien? Hier präsentiert eine Teilnehmerin die Bilderbox und erzählt von den Erfahrungen der Familie damit.
Unsere Version der Bilderbox berücksichtigt folgende zentrale Aspekte um die Konzeptidee voll auszuspielen:
Symbole als Geheimsprache: Die Geheimsprache soll von Eltern und Kindern gemeinsam zusammengestellt und festgehalten werden. Alle Beteiligten einigen sich auf eine Auswahl von Symbolen und deren Bedeutung. Dadurch findet ein intensives Gespräch darüber statt, was während der Zeit der räumlichen Trennung ansteht und z.B. im Büroalltag passiert. Obwohl eine Sprache für eine hohe Ausdrucksfähigkeit viele Symbole benötigt, ist die Anzahl an Symbolen bei der Bilderbox limitiert und auf die Anzahl von 9 Symbolen festgelegt. Dadurch sollen die Symbole zum einen nicht zu spezifisch werden, andererseits aber auch dazu angeregt werden, Symbole nach Bedarf zu ersetzen. Die Symbole der Geheimsprache sollten nicht durch geschriebene Worte ausgetauscht werden, da Symbole mehr Interpretationsspielraum zulassen, emotionaler und vager sind
Limitierung: Die Form der Anfragen der Kinder als auch die Antwortmöglichkeiten der Eltern sind festgelegt. Es können keine konkreten Fragen übermittelt oder Probleme thematisiert werden.
Aktualisierbarkeit: Die Geheimsprache ist keine in Stein gemeißelte Sprache. Die Sprache ändert sich und soll leicht anpassbar sein. Dabei ist es aber wichtig, dass jede Aktualisierung gemeinsam vorgenommen wird und die Änderungen allen bekannt sind. Veraltete Symbole auf der einen Seite werden sonst schnell zu falschen Botschaften auf der anderen Seite.
Verdeckt vs. Prominent: Während der Arbeit können Anfragen durch die Auswahl von Symbolen nebenbei beantwortet werden. Das Verfassen von Antworten ist mit den während der Arbeitszeit ausgeführten Tätigkeiten vereinbar und geschieht eher verdeckt. Anfragen und empfangene Antworten werden auf der Bilderbox dagegen prominent angezeigt und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich.
Frequenz: Die Frequenz von Anfragen ist limitiert, so dass nicht alle paar Minuten eine Anfrage bei den Eltern eingeht. Eine Vereinbarkeit mit der eigentlichen Tätigkeit (d.h. der Arbeit) soll gewährleistet sein.
Initiative bei den Kids: Das Konzept befähigt jüngere Kinder eigenständig Kontakt zu einem Elternteil außer Haus (z.B. bei der Arbeit) aufzunehmen. Die Initiative geht dabei ausschließlich von den Kindern aus.
Diese grundlegenden Überlegungen sind in unserer Version der Bilderbox in einen komplexen Prototypen geflossen. Wer die Idee der Bilderbox in abgespeckter Form einmal ausprobieren möchte, dem empfehlen wir folgende DIY-Anleitungen:
Bilderbox 1